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Zur Wikinger-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin
bis zum 4. Januar 2015
Geniale Bestien – Die Wikinger
von Greta Brentano
Mit „spektakulären Ausgrabungsfunden“, die erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden, sowie der 37-Meter langen Rekonstruktion eines Wikinger-Schiffs lockt das Berliner Museum MARTIN-GROPIUS-BAU in seine Ausstellung***
Was ist so faszinierend an diesen skandinavischen Piraten, die vom 9. bis 11. Jahrhundert ihre Nachbarstaaten überfielen, tausende Tonnen an Gold und Silber erbeuteten und wahrscheinlich zigtausende Menschen ermordeten? Antwort A: ihr erstaunlicher Erfolg. Antwort B: Ihre erschreckende Ähnlichkeit mit der ISIS und ähnlichen Verbrecherbanden.
Kopfschüttelnd fragen wir uns: „Was sind das nur für Menschen?“ und „Was ist denn überhaupt der Mensch?“
„Von Natur aus“, so kann man in realistischer Selbsteinschätzung resümieren, „ist der Mensch kein humanes Wesen“. Oder mit den Worten des Zoologen: “Der Mensch ist – neben den Ameisen – die erfolgreichste Spezies der Erde. Drei Eigenschaften haben beide gemeinsam: die Fähigkeit zur Staatenbildung, selbstaufopfernde Tapferkeit und unbarmherzige Gewalttätigkeit, um den Erhalt der eigenen Art zu sichern“.
Doch diese biologistische These hat einen Haken: Sie ist nur halb wahr. Denn nicht die Gene allein bestimmen, was den Menschen ausmacht – vielmehr seine Bildung. Ohne Erziehung zur Empathie bleibt der Mensch eine Bestie. Nur durch ständig geübtes Einfühlungsvermögen entwickeln sich im Broca-Areal des Gehirns Spiegelneurone, durch die auch vorgestellte Leiden und Freuden Fremder am eigenen Leib spürbar werden. Mitleid zu empfinden ist ein Indiz humaner Bildung, ähnlich der Vielsprachlichkeit und der Literatur.
Zwar mögen wir die Wikinger als Seefahrer zunächst bewundern, rehabilitieren will auch diese Ausstellung sie nicht.
Im Gegenteil: Diese wissenschaftlich fundierte Schau nimmt mancher Legendenbildung den Wind aus den Segeln: So war die Nautik der Wikinger eher beschränkt. Sie segelten auf Sicht. Den Kompass kannten sie nicht. Und die Saga, dass der Wikinger Leif Eriksson um 1000 n.Chr. Amerika entdeckte, bleibt wohl die Beweise schuldig. Ihre Schwerter gar importierten die Wikinger aus Franken, weil die eigenen Waffenschmiede technisch nicht versiert genug waren.
Wer spricht da noch von Genialität?
Nun, schon zur Zeit der „Roskilde 6“ hatten die Wikinger ihren erbeuteten Reichtum nicht mehr in Waffen, vielmehr in Wirtschaftsgüter investiert. Von Grönland, Irland und Britannien bis nach Lettland, Russland, Ukraine und Byzanz betrieben sie schwunghaften Handel und wandelten sich dadurch zu vielsprachigen Kosmopoliten, angesehenen Staatsbürgern und frommen Christen. Aus Barbaren-Horden erwuchsen Kulturvölker.
So wirkt es wie eine Pointe der Geschichte, dass der Wikinger-Spross und Dänen-König Harald Blauzahn, der um 965 in Skandinavien das Christentum durchsetzte, heute für seine völkerverbindenden Fähigkeiten durch ein Logo geehrt wird, das wir mit moderner Kommunikationstechnik verbinden: Bluetooth.
Auch die Online-Dienste Wikipedia, Wikimedia und WikiLeaks verweisen durch ihre Namensgebung auf die Wikinger, in denen sie wohl kaum kriminelle wohl aber kosmopolitische Vorbilder sehen.
***veranstaltet durch das Museum für Vor-und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen und dem Britischen Museum London.
Adresse
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstr. 7
10963 Berlin Kreuzberg
Empfehlung:
Wenn Sie dieses Kultur-Ereignis mit einer Begleiterin teilen, verdoppeln Sie Ihr Erlebnis. Als Begleitung empfehle ich Ihnen deshalb eine Muse von:
www.greta-brentano.de oder www.greta-brentano.com,
Mobil: +49 171 21 03 072
Literatur:
James Graham-Campbell: Das Leben der Wikinger. Krieger, Händler und Entdecker. Nikol VG, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-45-7.
Angus Konstam: Die Wikinger. Geschichte, Eroberungen, Kultur. Tosa Verlag, Wien 2005, ISBN 3-85492-692-8 (früherer Titel Atlas der Wikinger).
Magnus Magnusson: Die Wikinger. Geschichte und Legende. Albatros-Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-491-96188-3.
Peter Sawyer (Hrsg.): Die Wikinger. Geschichte und Kultur eines Seefahrervolkes. Siedler Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-88680-641-3
Georg Scheibelreiter: Die barbarische Gesellschaft. Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit, 5.–8. Jh. Primus-Verlag, Darmstadt 1999, ISBN 3-89678-217-7.
Mobilität und Kulturtransfer auf prosopographischer Grundlage. Akademie Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-05-004285-5.
Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst: intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone. Hamburg: Hoffmann und Campe, 2005. ISBN 3-455-09511-9
Giacomo Rizzolatti, Leonardo Fogassi, Vittorio Gallese: Mirrors in the Mind. Scientific American Band 295, Nr. 5, November 2006, S. 30–37
Giacomo Rizzolatti, Corrado Sinigaglia: Empathie und Spiegelneurone: Die biologische Basis des Mitgefühls. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2008. ISBN 3-518-26011-1.
Links:
www.berlinerfestspiele.de/…wikinger/ausstellung
Museen und Ausstellungen in Berlin: www.berlin.de/museum
Erster Berlinführer für Millionäre: www.berlin-after-business.com