Ist das die heilige Jungfrau?

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Alice Springs: “Brigitte Nielsen with her Son Kilian Marcus in Beverly Hills 1990” © Alice Springs
Alice Springs: “Brigitte Nielsen with her Son Kilian Marcus in Beverly Hills 1990” © Alice Springs

 

Weihnachtliche Gedanken beim Anblick zweier Fotos

Von Greta Brentano.

Wie alle Jahre wieder feiern wir auch an diesem 24. Dezember das Fest der Unwahrscheinlichkeit.

Nach „unbefleckter Empfängnis“ hat die Jungfrau Maria ein Kind geboren. So will es der Mythos. Forensiker würden anmerken: „Tatsächlich wurden keine Spermaspuren sicher gestellt“. Und was sagen Sie: Kann eine Virgo intacta Mutter werden? Völlig unmöglich! Genau. Und weil es unmöglich ist und dennoch Wahrheit, sprechen die Gläubigen von einem Wunder.

Als Agnostikerin bin ich nicht zu überzeugen, dass Jungfrauen Göttern Söhne gebären. Nie käme mir in den Sinn, Bach‘s Weihnachtsoratorium für einen Tatsachenbericht zu halten, dennoch macht es eine Gläubige aus mir.

Barer Unsinn wäre aus meiner Sicht, dass Bibel, Tanach, Koran, Pali-Kanon und andere heilige Schriften Forschungsergebnisse vorlegen. Sie verkünden Heilsbotschaften. Nennen wir sie Mythen, Legenden oder Märchen. Nicht mal ein Kind würde eine Märchenerzählung für Beweisführung halten, doch selbst der scharfsinnigste Skeptiker muss einräumen, dass gute Märchen tiefe Wahrheiten vermitteln.

Nein, ich denke nicht daran, mich von Allah oder Zeus oder Shiva oder der Dreifaltigkeit bevormunden zu lassen, doch der Ruf des Muezzins, die Klagelieder des Jeremias und die Werke J.S. Bachs ergreifen mich – auch spirituell.

Besonders an Weihnachten bin ich froh, wie ein Kind zu empfinden. Ich halte es für eine Gabe, die Wirklichkeit auch als Wunder zu erleben. Darin liegt die Kunst der Künstler.

Selbst den Künstlern mit der Kamera gelingt es bisweilen, den eher trivialen Tatsachen Tiefe zu geben. So zeigt Alice Springs (June Newton, die Lebensgefährten Helmut Newtons) in Abb. 1. die Hollywood-Schönheit Brigitte Nielsen mit ihrem Erstgeborenen. Obwohl ihr Foto von 1990 seine Aktualität längst eingebüßt und somit für die Nachrichten-Medien ihren Reiz verloren hat, sehen wir noch immer ein Bild, das sich dauerhaft einprägt: Maria mit Jesuskind – eine Weihnachts-Ikone.

„Wunderschön prächtige, hohe und mächtige, himmlische Frau!“ Dieses Marienlied von 1862 passt zu einer Regina Caeli, zu der alle Welt aufschaut. Wir da unten –  sie da oben.

Im scheinbaren Widerspruch dazu vermittelt das Foto von Howard Schatz eine ganz andere Wirklichkeit (Abb. 2): Die obdachlose New Yorker Mutter mit ihrem Kind. Nichts weiter als Reportage und Dokumentation?

Wieso sehe ich dann – und vielleicht auch Sie – hier ein Weihnachtsbild: die obdachlose Maria, die ihren Jesusknaben in einem Stall gebären musste? Eine vom Elend gezeichnete, dennoch würdevolle Frau, die uns erhobenen Hauptes begegnet.

Howard Schatz: Homeless Mother and Child, New York 2007 © Schatz/Ornstein
Howard Schatz: Homeless Mother and Child, New York 2007 © Schatz/Ornstein

Die Legende will beschwichtigen, indem sie den Allmächtigen als leiblichen Vater benennt. Doch nach dem damaligem Sittenkodex (dessen Intoleranz bis heute in vielen Ländern grassiert), hätte man die schwangere Maria – ohne ihre Nottrauung mit dem väterlichen Freund Josef – als leichtes Mädchen, als Schlampe und Hure verachtet.

Ich erkläre mich mit ihr solidarisch: „O heilige Hure, bitte für uns!“ So lautet mein Christmas Carol.

Das geht Ihnen zu weit? OK. Ich will Sie nicht dazu anstiften, beim Gänsebratenessen Predigten zu halten. Doch vielleicht können wir uns darauf einigen, dass jede Liebe (inklusiv Nächstenliebe, Fremdenliebe und Feindesliebe) vorbehaltlos sein muss. Liebe kennt kein Wenn und Aber.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes Fest der Liebe!

 

Meine Empfehlungen:

Wollen Sie Weinachten ohne Frömmigkeit und Familie doch mit viel Liebe und in bester Gesellschaft feiern, empfehle ich Ihnen: www.greta-brentano.de oder www.greta-brentano.com

Lassen Sie sich bei einem Berlin-Besuch auch von unseren persönlichen Erfahrungen leiten: www.berlin-after-business.com

Festliche Veranstaltungen auf Berliner Bühnen finden Sie unter:
www.berlin-buehnen.de

Die Alice Springs-Ausstellung in der Helmut Newton Foundation, Jebenstraße 2, 106723 Berlin. Phone: +49-30-31-96-48-56;
www.helmutnewton.com

Das Buch von Howard Schatz: “Homeless” gibt es bei Chronicle Books, San Francisco, CA 1994, 75 b/w photographs. Und bei Schatz Ornstein Studio 435 West Broadway, New York, NY 10012: www.howardschatz.com/books.php?galleryID=29