Das „Les Solistes“ beflügelt die Sinne

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Caesar van Everdingen „Bacchus mit Nymphe und Cupido“ 1660 © Gemäldegalerie Dresden
Caesar van Everdingen „Bacchus mit Nymphe und Cupido“ 1660 © Gemäldegalerie Dresden

Auch montags lässt sich lustvoll leben

Mein Gast hatte Lust auf ein Sterne-Menü, das diesen Namen wirklich verdient.  In Berlin kein Problem, sollte man meinen. Doch es war Montag, der offizielle Ruhetag der gehobenen Gastronomie.

Das „Fischer’s Fritz“ im Hotel Regent hat theoretisch zwar montags geöffnet, doch praktisch ist die 2-Sterne-Kulinarik des Christian Lohse derart begehrt, dass ich ad hoc dort keinen Tisch mehr bekam. Doch beim „Les Solistes “ im neuen Waldorf-Astoria“ winkte uns neben dem Zufall freier Plätze auch das wahre Glück für jeden Genießer.

Mein Gast ließ einem orientalischen Brauch folgend alle Gerichte gleichzeitig auftragen, sodass wir unserer Probierlust freien Lauf lassen konnten. Wir hatte Langustine, Wolfsbarsch, Seezunge, Hummer und maritimes Sommergemüse, dazu einen Gevrey-Chambertin Grand Cru von 1990. Alles vom Feinsten.

Und so unspektakulär ihre Speisekarte auch aussehen mag (man findet hier die besten Zutaten wie in allen Nobel-Herbergen), Gagnaire und Lintermans erweisen sich als ganz und gar außergewöhnliche Erfinder eines neuen Kochstils, der sich von prätentiösen Spielereien rigoros verabschiedet.

Was hier auf den Teller kommt, duftet mit voller Wucht, hat Geschmack und Biss wie in einer Provenzalischen Brasserie. Wolfsbarsch, Hummer, Seezunge, Langustinen und Austern sind fangfrisch und voller Meeresaroma, als kämen sie direkt vom Kutter. Das Können der Köche besteht nun darin, solche herzhaften Geschmacksnoten  auf überraschende, ja manchmal tollkühne Weise zu kombinieren.

So delektierten wir uns an Loup de Mer, deftig vereint mit knusprigen Ziebelringen, Bohnen und Karotten, Taschenkrebs und geliertem Fenchel zu Bayrisch Crème. Die Langostine kommt einmal ganz bodenständig als „Terre de Sienne“ aus der Panne mit Georgpilz und Mandeln, dazu in der Variation als Terrine mit Algen, Chicoree, Lauch und Sake, sowie schließlich auch als Tartar mit Koskosnussmilch und Limette.

Mein Gast, ein Lust-Esser, der sich keine Gelegenheit entgehen lässt, die Gourmet-Tempel von New York bis Singapur zu erkunden, war von der raffinierten Einfachheit des „Les Solistes“ ebenso überrascht und begeistert wie ich. Allein schon der Genuss wäre hier ein Gesprächsthema.

Was uns aber noch viel mehr gefällt: Das Essen und Trinken wird im „Les Solistes“ nicht als heilige Handlung zelebriert. Man kann es mit gelassener Beiläufigkeit genießen, um sich als Liebespaar für den späteren Verlauf des Abends aneinander Appetit zu holen.

Unaufdringlich und unsichtbar gleiten die Kellner am Tisch vorbei, sodass wie durch Zauberhand die Gläser nachgegossen werden und zur rechten Zeit neue Flaschen auf dem Tisch stehen. Doch keiner durchbricht den Kokon der Intimsphäre der Gäste, die in Gespräche und vielsagende Blicke vertieft sind. Dank deshalb nicht zuletzt dem Zaubermeister, Maître Vedad Hadziabdic, der mir schon in seiner früheren Wirkungsstätte, dem „Aqua“ im Ritz Wolfsburg aufgefallen war.

In Nuce: Sollten Sie Ihre Berlin-Reise durch ein exquisites Essen krönen, diesen Abend aber nicht in Einsamkeit erleben wollen, sondern mit einer Frau, die Ihre Sinne weckt und beflügelt (und sich mit feiner Küche und edlen Weinen auskennt), so empfehle ich mich als Begleitung – oder eine der insgesamt 12 Musen von Greta Brentano® www.greta-brentano.de

Ich reserviere gerne einen Tisch für Sie.

Herzliche Musenküsse, (Kisses by Muses)

Sharon Novalis

Meine Restaurant-Empfehlungen:

„Les Solistes by Pierre Gagnaire“ im Waldorf-Astoria www.waldorfastoriaberlin.com/deu/Restaurants-Lounges/LesSolistes

„Tim Raue‎“ (2 Sterne)   www.timraue.com

„Fischers Fritz“ (Christian Lohse, 2 Sterne) im Hotel Regent  www.fischersfritzberlin.com

„Facil“ im The Mandala (Michael Kempf, 2 Sterne) www.facil.de

„Reinstoff“ (Daniel Achilles, 2 Sterne) www.reinstoff.eu

 


Gastronomie-Führer, die ich empfehle:

„Four – The World’s Best Food Magazine” www.fourmagazine.com

“Sternefresser” www.sternefresser.de

“Die besten Hotels der Welt” von Heinz Horrmann  www.heinzhorrmann.info/news/die-10-bestenhotels-weltweit

Les Solistes ignites the senses

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Caesar van Everdingen „Bacchus mit Nymphe und Cupido“ 1660 © Gemäldegalerie Dresden
Caesar van Everdingen „Bacchus mit Nymphe und Cupido“ 1660 © Gemäldegalerie Dresden

Life is Worth Living – Even on Mondays.

My guest had a hankering for a Michelin-starred menu that had really earned the accolade. No problem in Berlin, one would think. But it was Monday, the official day off for upmarket gastronomic establishments.

Fischers Fritz at the Hotel Regent is open on Mondays in theory, but in reality Christian Lohse’s two-star culinary art is so in demand that I couldn’t get a table ad hoc. However, Les Solistes in the new Waldorf-Astoria offered not only the good fortune of free spaces, but also true bliss for every bon vivant.

Les Solistes is run under the watchful eye of Parisian three-star chef Pierre Gagnaire, described by journalist Heinz Horrmann as, “For me, the best culinary artist in the world.” This highly acclaimed chef is rarely found slaving over the stove himself in Berlin, but the head chef, a Belgian by the name of Roel Lintermans who himself has received two stars for his cooking in Gagnaire’s London restaurant, is very close to matching his master’s works.

My guest followed the oriental custom of having all the dishes served at once, allowing us to let our tasting desires run free. We enjoyed the very finest langoustine, sea bass, lobster, and maritime summer vegetables, all accompanied by a 1990 Gevrey-Chambertin Grand Cru.

And while the menus themselves might look unspectacular (as in all the finest hotels and restaurants, only the best ingredients are found here), with their dishes Gagnaire and Lintermans prove themselves to be unique inventors of a new style of cooking that is far removed from pretentious gimmicks.

Everything presented on the plates here has a powerful aroma and the rustic flavor one would normally associate with a Provençal brasserie. Sea bass, lobster, sole, langoustine, and oysters are served freshly caught and full of the scent of the sea, as if they had come straight off the cutter. The skill of the chefs is to take these hearty flavor notes and to combine them in surprising and sometimes daredevil ways.

Thus, we were treated to sea bass heartily combined with crispy onion rings, beans and carrots, crab and jellied fennel with Bavarian cream. The langoustine is served in a down-to-earth fashion as “Terre de Sienne” from the pan with St. George’s mushroom and almonds; in a terrine variation with algae, chicory, leek, and sake; and finally, as tartare with coconut milk and lime.

 

My guest, a passionate gourmand who never misses an opportunity to explore a culinary temple, from New York to Singapore, was as surprised and delighted by the refined simplicity of Les Solistes as I was. The enjoyment itself was a topic of conversation here.

But what we liked even more was the fact that eating and drinking are not treated as a religious exercise here. As lovers, you can enjoy a casual meal and develop an appetite together for what lies ahead that evening.

The waiters drift by your table discreetly and unobtrusively; your glasses are refilled and new bottles punctually delivered as if by magic. Not a soul breaks through the cocoon of intimacy around guests lost in conversation and knowing glances. And this is not least thanks to the master sorcerer, maître d’ Vedad Hadziabdic, whose work I had admired in the past in his previous domain, the Aqua at the Ritz Wolfsburg.

In nuce: should you wish to crown your Berlin trip with an exquisite meal, and would prefer not to spend your evening alone, but rather with a woman who awakens and ignites your senses (and is familiar with fine food and good wine), I would like to put myself forward to accompany you – or choose one of the 12 muses available from Greta Brentano®. www.greta-brentano.com

I would be happy to reserve a table for you.

Muse’s kisses,

Sharon Novalis

 

My restaurant recommendations:

Les Solistes by Pierre Gagnaire at the Waldorf-Astoria www.waldorfastoriaberlin.com/deu/Restaurants-Lounges/LesSolistes

Tim Raue‎ (two stars) www.timraue.com

Fischers Fritz (Christian Lohse, two stars) at the Hotel Regent www.fischersfritzberlin.com

„Facil“ at The Mandala (Michael Kempf, 2 stars) www.facil.de

Reinstoff (Daniel Achilles, two stars) www.reinstoff.eu

 

Gastronomy guides I would recommend:

Four – The World’s Best Food Magazine www.fourmagazine.com

Sternefresser www.sternefresser.de

Die besten Hotels der Welt by Heinz Horrmann  www.heinzhorrmann.info/news/die-10-bestenhotels-weltweit

 

Lilly und Marie essen zu Mittag im Margaux

von Judith Laurentius

Schule von Fontainebleau 1594, Öl auf Leinwand, Louvre © Paris

Marie sah Lilly zwischen ein paar Leuten vor dem Margaux stehen und auf sie warten. Eilig lief sie auf sie zu. “Und? Trauen wir uns da rein?”
Marie wies mit dem Kopf auf die schwere, in Messing gefasste Glastür. Ohne zu antworten wandte Lilly sich um, warf Marie über die Schulter einen übermütigen Blick zu und stieß die Tür auf.
Die Kühle des klimatisierten Raums, den sie betraten, war nach der Hitze draußen ein angenehmer Schock.
Sie folgten einem jungen, steifbeinigen Ober in den hinteren Teil des Raums, wo vor einer großen Fensterfront vier weißgedeckte Tische standen, an denen schon zwei Paare tafelten.
Ansonsten war das große Restaurant völlig leer und wirkte trotz der leisen Hintergrundmusik still und etwas öde.

Wann geht man schon mal in einem solchen Restaurant essen?

Marie ließ sich auf dem zierlichen Sessel aus braungoldenem Plüsch nieder, stellte ihre Tasche neben sich auf den Boden und sah sich neugierig um.
Zwei riesige Gemälde mit dekorativer Malerei in kräftigen Rot – und Orangetönen hingen einander gegenüber und beherrschten den Raum völlig. Dazwischen stand ein turmartiger Aufbau aus gelblich-bräunlichem Marmor, der Marie den Blick auf den vorderen Teil das Restaurants teilweise versperrte.
“Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?” Ein blonder, blasser, sehr distinguiert wirkender Ober war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Marie und Lilly tauschten einen Blick. “Erst einmal eine große Flasche Wasser”, sagte Lilly freundlich und wandte sich wieder Marie zu. Der Ober verschwand diskret wie ein versiertes Hausgespenst.
“Etwas monumental, das Ganze, wie?” meinte Marie verzagt und ließ den Blick über die Decke schweifen. “Blattvergoldete Decken in Raufasertapete eingefasst. Das ist schon eine merkwürdige Kombination…”
“Ach, das ist Blattgold?” Lilly hob ebenfalls den Kopf und fasste die Decke kritisch ins Auge. “Das hätte ich gar nicht erkannt.” Der blonde Ober stellte zwei große, mit Wasser gefüllte Weingläser vor sie hin und murmelte leise die Wassermarke. Marie und Lilly grinsten sich unwillkürlich an. “Ich denke, wir nehmen die beiden Menüs.” Lilly betrachtete noch einmal nachdenklich das elegant gerahmte Speisekartenblatt, “dann können wir tauschen”, sagte sie zu Marie gewandt. “Und Sie könnten meiner Freundin einen passenden Weißwein empfehlen, ich werde lieber keinen Alkohol trinken.” “Wir hätten da einen sehr schönen Riesling aus dem Rheingau…”
Der Ober wandte sich an Marie und lächelte vorsichtig zum ersten Mal.
“Sehr fruchtig, eine Spätlese, Jahrgang 2006… hoher Säuregehalt, man merkt die Säure aber kaum… ich könnte Ihnen etwas davon zum probieren bringen..”

Sie sog den Duft ein, der ihr aus dem Glas in die Nase stieg.

Er verschwand und tauchte sogleich wieder auf, eine Flasche und ein Glas in der Hand. Er zeigte Marie die Flasche. “Sehr lakonisches Etikett”, bemerkte sie, während er ihr einen Schluck Wein ins Glas goß. “Oh, das ist ein sehr bekanntes Weingut” sagte er zerstreut und beobachtete sie beim Probieren.
Sie sog den Duft ein, der ihr aus dem Glas in die Nase stieg und entspannte sich sofort. Dies war ein guter Wein, dies war ein exzellenter Wein, und man sollte eigentlich ein Stück Brot mit frischer Butter und sonst nichts dazu essen, dachte sie bedauernd. Sie öffnete die Augen und lächelte den Ober an. Er lächelte zurück.
“Mein Lieblingswein”, sagte er stolz und goss, ihr Lächeln als Zustimmung interpretierend, ihr Glas dreiviertelvoll. Marie hob ihr Glas und trank Lilly zu. “Ich sollte eigentlich ja auch keinen Wein trinken tagsüber”, sagte sie entschuldigend zu Lilly, “aber wann geht man schon mal in einem solchen Restaurant essen?”, setzte sie hinzu und sah dem Ober erwartungsvoll entgegen, der sich mit zwei Tellern näherte. “Entenleberpastete in Kiefernholzasche gewälzt, auf Basilikum-Apfel-Chutney, ein kleines Amusegeule” , verkündete er, indem er Teller aus edlem Porzellan vor sie hin setzte.
“Asche?” Marie beäugte die kleine, samtig-schwarze Kugel auf ihrem Teller. “Ich würde das eher Kohle nennen. ” “Der Koch nennt es Asche”, entgegnete der Ober etwas beleidigt und entschwand.
“Na, Hauptsache, es ist nicht krebserregend”, seufzte Lilly und kostete vorsichtig. “Das Chutney jedenfalls ist perfekt. Eine gute Idee, diese Kombination aus Apfel und Basilikum.”
“Sehr merkwürdig”, sagte Marie und versuchte, der Kohle-Leber-Mischung in ihrem Mund etwas abzugewinnen. Die Leberpastete ist nicht so schlecht, dachte sie, aber die Kohle schmeckt irgendwie angebrannt. Allerdings es sah hübsch aus, und das war wohl der Sinn der Sache.

Marie versuchte, der Kohle-Leber-Mischung in ihrem Mund etwas abzugewinnen.

Sie zerbrach eins der winzigen Kümmelhörnchen, die in einem Körbchen dazu serviert worden waren und bestrich es mit Butter.
“Hier sind wirklich Perfektionisten am Werk”, meinte sie. “Die haben die Hörnchen sicher auch selbst gebacken.”
Ein anderer Ober hatte sich von hinten angeschlichen und begann, die leeren Teller einzusammeln. Er war jünger als der erste, offensichtlich eine Hilfskraft, hatte ein hübsches, dunkles Gesicht, und seine weißen Zähne blitzten auf, als er ihnen kurz und verschwörerisch zulächelte.
Er erinnerte Marie intensiv an ihren Freund Patrice, der aus Südfrankreich stammte und dessen Erfolge bei Frauen legendär waren.
Sie beugte sich zu Lilly und raunte leise: “Findest du nicht, dass er Patrice unheimlich ähnlich sieht?”
“Oh ja!” Lillys Augen funkelten. “Und er ist sicher genauso so ein Filou!”
Marie seufzte leise. Auch Lilly war kurzzeitig in Patrice verliebt gewesen und hatte dessen Unverbindlichkeit zu spät wahrgenommen. Aber das war schon fast zehn Jahre her…
Ihr Gesicht hellte sich auf, als sich der blonde Ober auf leisen Sohlen näherte. Er stellte zwei kunstvoll arrangierte Teller vor sie hin.
“Glattbutt mit Badoitgelée und Olivenöl – Taube mit Gewürzen.” Dunkelrote Taubenbruststreifen waren mit brauner Sauce zu einem kunstvollem, expressionistischem Gemälde arrangiert. Sie sah prüfend auf Lillys Platz. “Was hast du da denn auf deinem Teller? Badoitgelée? Was ist denn das Merkwürdiges?”
“Ich weiß auch nicht..” Lilly stach mit ihrer Gabel nach einem der Eisberg-ähnlichen Haufen, die den weißen Fisch umringten, und er wich zitternd zurück. Marie beugte sich interessiert über Lillys Teller. “Es sieht hübsch aus…wie schmeckt es denn?”

Ich finde, es schmeckt irgendwie nach Schnupfen.

Lilly schluckte mit zweifelndem Gesichtsausdruck. “Nach gar nichts”, meinte sie. “Darf ich?” Marie balancierte die Gabel mit dem Gelée zum Mund und kostete. Das Gelée löste sich im Mund zu einer schwach salzig schmeckenden Flüssigkeit auf. “Ich finde, es schmeckt irgendwie nach Schnupfen!” Marie kicherte. “Badoitgelée! Also wirklich. Nichts als Dekoration. Wie ist der Fisch?”
“Der Fisch ist wunderbar!”
“Die Taube ist auch nicht schlecht. Ein bisschen zu roh, finde ich.”
Sie kosteten weiter ernsthaft von den zierlichen Portionen auf ihren Tellern.
“Ich hätte lieber Restaurant-Kolumnen-Schreiber werden sollen”, sinnierte Marie. “Das wäre mein Traumjob!”
“Dann wärst du jetzt rund wie eine Kugel.” Lilly musterte ihre Freundin kritisch. “Nicht bei solchen Portionen” antwortete Marie und widerstand dem Drang, die Saucenreste vom Teller zu lecken. Lilly schob ihren Teller von sich, auf dem einsam die Reste des Badoit-Gelées zitterten.
“Selten so guten Fisch gegessen”, sagte sie zufrieden und schaute sich um.
Wie aus dem Nichts aufgetaucht stand der blonde Ober hinter ihnen, in den Händen die Teller mit dem nächsten Kunstwerk des in göttlichen Sphären schwebenden Koches.
“Kabeljau kross an gedämpften Taglilien und Krustentiersauce”, verkündete er, und der Teller schwebte vor Marie nieder. “Sauté vom Reh an glacierten Bohnen mit Kräutern und Rotweinsauce!”
Dieser Teller wurde mit elegantem Schwung vor Lilly hingesetzt.
Lilly, die eine gärtnerische Ader hatte, betrachtete interessiert den bräunlichen Haufen Gemüse auf Maries Teller. Sie suchte den Blick des Obers, der einen Schritt zurückgetreten war und wartete, als ob er mit vornehmer Zurückhaltung ihren Beifall entgegennehmen wollte.
“Taglilien? Welche Sorte Lilien ist denn das? Ich habe das schon mal gehört! Etwa die Sorte mit den vielen kleinen roten Blüten?”
“Ich habe sie auch schon in weiss gesehen. Der Koch verwendet nur die Knospen. Sie haben einen speziellen Geschmack, der ausgezeichnet zu Fisch passt.”
“Aha. Vielen Dank!”, erwiderte Lilly liebenswürdig und etwas verwirrt.
Der Ober wartete noch einen Moment. Vermutlich hätte er mit Freuden die Einzelheiten der verschiedenen Kräuter oder die Zubereitung der Krustentiersauce erklärt. Als aber keine weiteren Fragen kamen, verbeugte er sich leicht und entschwand.
“Taglilien also”, murmelte Marie vor sich hin. “Ich bin gespannt, wann endlich der Pfau im Federkleid und die Amselzungenpastete serviert wird.” Sie spießte eine Taglilie auf die Gabel.
“Die sehen eher aus wie Sumpflilien”, kicherte Lilly und angelte sich ebenfalls eine von Maries Teller. Marie kaute langsam, schluckte und erwiderte mit gekrauster Stirn: “Sie schmecken auch so. Dazu passt nur ein hundert Jahre alter, chinesischer Mooskarpfen. Ich glaube, die spar ich mir.”

Zuhause würde ich den Teller ablecken. Der Mensch kann wirklich kochen.

Der Kabeljau kross allerdings war perfekt. Bei der Zubereitung hatte der Koch eine Anleihe von den Japanern gemacht und den Fisch mit der Haut nach oben unter einen sehr heißen Grill gelegt, nachdem er die Haut vorher einige Stunden mit Salz bedeckt hatte. Dadurch schmolz das Fett unter der Haut und der Fisch wurde knusprig und saftig zugleich. Hier war ihm das Verfahren ausgezeichnet gelungen, und Marie schob den Sumpf auf ihrem Teller beiseite und konzentrierte sich voller Hingabe auf den Fisch, der auf der Zunge zerging und wunderbar zum Wein passte.
Lilly hingegen wischte mit einem Stück Hörnchen die Reste der Weinsauce vom Teller.
“Die Sauce ist ein Gedicht”, seufzte sie. “Zuhause würde ich den Teller ablecken. Der Mensch kann wirklich kochen!”
“Ja, merkwürdig”, erwiderte Marie. “Wenn er nur noch das ganze manierierte Getue mit Taglilien und Badoitgelée und Kiefernholzasche lassen würde, bekäme er von mir den ersten Preis. Mich nervt das genauso wie das obligatorische Salatblatt samt Orangenscheibe auf dem Teller, das man als ungebetene Dekoration überall dazu bekommt.”
“Du bist immer so streng!” mahnte Lilly und berührte Maries Hand kurz und zärtlich.
“Die Leute mögen sowas. Es gibt ihnen das Gefühl, etwas ganz besonderes zu essen. Das erwarten sie, wenn sie hierher gehen.”
“Die Leute waren schon immer dumm”, gab Marie zurück. “Ich bestehe darauf: Ein Koch, der einen solchen Fisch oder dieses Apfel-Basilikum-Chutney zubereiten kann, sollte über dieses Schnick-Schnack erhaben sein.”
Lilly, den Geschmack der Weinsauce im Mund, nahm den Koch weiter in Schutz. “Das ist er vermutlich – zu Hause. Ansonsten fährt er nach Paris, guckt, was die Kollegen da alles fabrizieren und versucht, sie hier zu übertrumpfen. Er hat schließlich seinen Ruf zu wahren!”

Die Kellner machten den feierlichen Eindruck einer Fronleichnamsprozession.

Marie stellte sich den Koch vor, erschöpft von seiner letzten Paris-Reise, mit einem Magengeschwür kämpfend, wie er in seiner Küche zu Hause sich ein Kabeljaufilet shioyaki zubereitete, voll innerer Genugtuung, keine Taglilien dazu essen zu müssen, sondern einen schlichten Rettichsalat, einfach, weil er zu Hause war. Allerhöchstens würde er etwas geröstete Nori über seinen Salat streuen und sich dann erleichtert über seinen Fisch hermachen.
“Taglilien!”, würde er erbittert murmeln.
“So ein Dreck…aber sicher finden mich alle toll, wenn ich damit ankomme. Macht viel mehr her als Rettichsalat. Blödes Volk!”
Sie verzieh dem Koch alles.
“Na gut”, lächelte sie Lilly zu.
“Du hast ja recht. Also kriegt er den ersten Preis. Ich bin gespannt, was er sich zum Nachtisch hat einfallen lassen.” Sie musste nicht lange warten, denn der blonde Ober, einen Teller wie eine Trophäe auf der linken Hand balancierend, näherte sich ihrem Tisch. Der Filou folgte ihm, einen imposanten Wagen aus edlen Hölzern vor sich her schiebend. Sie machten in ihrer Feierlichkeit den Eindruck einer Fronleichnamsprozession, und in Marie stieg wieder ein amüsiertes Glucksen nach oben.
Sie flüsterte Lilly begeistert zu: “Die Show, die die beiden hier veranstalten, ist einfach erstklassig!”
“Fehlt nur noch der Mann mit der Fanfare!”, tuschelte Lilly zurück. Dann setzte sie sich aufrecht und nahm gleichfalls eine würdevolle Haltung ein.
Der Filou stellte den Wagen ab und räumte sogleich das Feld, während der Blonde Lilly einen Teller mit einer “Mousse au Chocolat mit Olivenöl” kredenzte.
“Wo ist denn da bitte das Olivenöl?”, fragte Lilly in leicht blasiertem Tonfall.
Der Ober räusperte sich. “Damit ist die Mousse zubereitet.”
“Sehr interessant. Und was ist das Rote da auf dem Teller?” Sie deutete mit dem Kinn darauf. Unwillkürlich hatte ihre Haltung das Gebaren einer leicht beleidigten und verwöhnten Herzogin angenommen.
Marie betrachtete sie entzückt. Der Ober war wirklich ansteckend.
“Dies ist ein Chutney von Ingwer und getrockneter Wassermelone. Getrocknet deshalb, um den Geschmack zu intensivieren.”
“Das klingt ja wirklich äußerst aufregend”, erwiderte Lilly, aber der Ober war schon einen Schritt hinter den Wagen getreten und begann Marie die Käsesorten aufzuzählen, die dort hübsch angeordnet in verschiedenen Fächern lagen.
“Dieser hier ist wirklich ganz ausgezeichnet”, pries er eine Sorte an.

Der Wohlgeschmack von tausend Sommern entfaltete sich in Ihrem Mund.

“Ein französischer Ziegenkäse aus der Provence, wunderbar ausgereift! Und vielleicht noch einen Stilton dazu?”
“Danke”, lächelte Marie.
“Ich glaube, ein Stück Ziegenkäse reicht mir.” Behutsam schnitt der Ober eine Scheibe von dem Käsestück herunter und legte es auf den Teller. Dann deutete er auf eine Reihe Gläser mit buntschimmerndem Inhalt in der unteren Etage des Wagens.
“Wir haben hier verschiedene Zutaten, die Sie zu dem Käse kosten sollten. Getrocknete Tomaten, ein Ingwerchutney, Waldhonig, aromatisiert mit Fichtensprossen…”
“Nein, danke”, wehrte Marie ab. “Ich glaube wirklich, der Käse braucht keine weiteren Zutaten.” Der Ober betrachtete Marie nachdenklich. “Sie sollten mir vertrauen. Ich kann Ihnen diesen Ziegenkäse zusammen mit dem Honig wirklich sehr empfehlen.”
Marie, verblüfft über die plötzliche Unnachgiebigkeit des Obers, zuckte die Achseln.
“Wenn Sie meinen…”
Konzentriert löffelte der Ober etwas Honig neben den Käse und stellte Marie den Teller hin. Dann blieb er abwartend stehen und beobachtete sie.
Marie schnitt ein Eckchen von dem Käse ab und fuhr mit ihm durch den dunklen Honig, in dem etliche braune Fäden schwammen. Sie hob die Gabel und kostete. Der Wohlgeschmack von tausend Sommern, die sie alle in ihrer Kindheit in der Provence verbracht haben musste, entfaltete sich in ihrem Mund. Die Erinnerung an etwas, was sie nie erlebt hatte, war so täuschend echt und zugleich so wohlig, dass sie einen Moment die Augen schloss, um sich hineinfallen zu lassen.
Sie saß auf einem weichen Waldboden, der von duftenden Kiefernadeln bedeckt war und sah die sonnendurchglühte, rötliche Landschaft vor sich, in der Tiefe des dunkelblauen Sommerhimmels verblassten ein paar weißfedrige Wölkchen. Tief aufatmend öffnete sie die Augen.
“Das ..ist wirklich…wunderbar” sagte sie langsam.
Sie schüttelte die Benommenheit von sich ab und lächelte. “Aber dieser Wein passt wirklich nicht dazu.” Sie deutete auf ihr Glas, in dem ein Rest von dem Weißwein stand.
“Warten Sie…” Im Nu war der Ober zurück, mit einem großen Rotweinglas, das er noch einmal kurz schwenkte und ihr dann in die Hand drückte.
“Das ist genau das Richtige dazu..” Continue reading “Lilly und Marie essen zu Mittag im Margaux” »

Tim Raue lädt ins Quartier 206

umatoo –  die Sinneslust des Samurai

Für Genießer und Entdecker der feinen Küche hat Berlin eine exquisite neue Adresse: umatoo.

Seit Anfang September steht das Pendant zum Restaurant uma (konzipiert von Tim Raue und  ausgezeichnet mit 16 Punkten im Gault Millau) internationalen Gästen des Quartier 206 offen.

Inspiriert vom Life-Style Shanghaier Shopping Malls wagt Raue den Schritt hin zu einer „Fast Food“-Variante bester japanisch interpretierter Küche auf hohem Niveau.

luxuriös und unprätentiös

Eingebettet in das Who is Who der internationalen Top Designer ist das umatoo ein Ort, um sich eine genussvolle Pause vom Shoppen zu gönnen, sich mit Geschäftspartnern zum Lunch zu treffen, mit Freunden oder in charmanter Begleitung an einem der zentralen und schönsten Plätze Berlins das Glück gelassenen Genießens zu erleben.
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